COP 25 – UN-Klimakonferenz 2019 in Madrid

Unter der Devise „Time for Action“ hat am 2. Dezember 2019 die 25. UN-Klimakonferenz in Madrid begonnen. Diesmal sind wir – das sind Ursel, Kai, Swen und Nick – mit Reflexionen und Wortmeldungen virtuell von Hamburg aus am (Erd)Ball mit dabei. Parallel machen wir am 10.12.2019 unsere eigene große hanseatische Klimakonferenz.

Virtuelle Teilnahme an der COP 25 – Geht das?

Es schien ganz einfach: Statt in 22 Stunden mit der Bahn nach Madrid zu fahren, surfen wir einfach zwei Wochen lang den UN-Server hoch und runter. Unter https://unfccc.int/virtual-participation-cop25
sind alle offiziellen Kanäle verlinkt, so dass man auch noch die scheinbar unbedeutendsten Pressekonferenzen messerscharf auf den heimischen Laptopschirm bekommt.
Doch nach einer Woche Bildersumpf müssen wir erkennen: Es fehlen die Klänge, Begegnungen, verschobene Zeitwahrnehmungen und Gerüche, um uns im Konferenzgeschehen neu zu „erden“.

13.12.2019 – I’ll be your mirror

Der Verblendungszusammenhang lüftet sich und wir blicken schonungslos in den Spiegel:

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst.

Uns bleibt wenig bis gar keine Zeit, um durch eine massive Verringerung des CO2 Ausstoßes die Klima- und Umweltschäden zu mindern. Lasst uns einen neuen Pfad für die Heilung unserer Biosphäre einschlagen und für das Leben aller Lebewesen auf der Erde schaffen.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Laut dem letzten IPCC Bericht und dem weitaus größten Teil der weltweiten Klimawissenschaftler ist unser restliches „CO2 Budget“ in wenigen Jahren aufgebraucht. Ein Überschreiten würde weltweit zu kaskadenartigen Kettenreaktionen an klimatischen Änderungen nach sich ziehen, die eine Erde, wie wir sie heute kennen, weiträumig zerstören würde.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst.

Schon 1909 war es der Chemienobelpreisträger Wilhelm Ostwald, der der Zukunft attestierte, dass am Ende nur die Sonne helfen würde und die auf Wachstum gebaute „Konsumwelt“ zu hungrig für einen fossilen Brennstoff sein werde. So wurde Oswald 2010 in einer Rede bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom wunderbaren und leider viel zu früh verstorbenen Umweltpolitiker Hermann Scheer zitiert.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Eine der größten Chancen gab es wahrscheinlich vor 30 Jahren. Ende der 1970er Jahre entdeckte eine Gruppe von Wissenschaftlern und Politikberatern rund um den Umweltlobbyisten Rafe Pomerance und dem NASA Forscher James Hansen, dass sich die Erderwärmung desaströs beschleunigte. Nach einem Jahrzehnt erbitterter Deutungskämpfe um Anerkennung hätte diese Gruppe im Jahre 1989 fast den Durchbruch geschafft und scheiterte dann doch tragisch knapp auf einer Konferenz in Brüssel.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Auch schon vor den von Nathaniel Rich in seinem Buch „Losing Earth“ geschilderten Geschehnissen war es kein geringerer als der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der warnend in seiner Rede am 26. Juni 1972 vor Nobelpreisträgern auf einer Konferenz in Lindau alarmierend auf die Zukunft hinwies: „Die Auswirkungen von Umweltschädigungen erscheinen nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich verschoben, so dass eine erhebliche Zeitspanne zwischen der Verursachung und der schädlichen Wirkung liegen kann. Die Gefahren werden häufig erst erkannt, wenn sie sich bereits millionenfach vervielfältigt haben. Man sollte daraus die Lehre ziehen, dass es insgesamt schon viel später ist als wir denken möchten. Maßnahmen, die wir heute ergreifen, werden unheilvolle Prozesse unter Umständen erst in Jahren unter Kontrolle bringen können. Es geht, meine Damen und Herren, um nicht weniger als darum, den Zusammenbruch unseres ökologischen Systems zu verhindern. Wir werden unseren Scharfsinn im steigenden Maße darauf verwenden müssen wie wir von einer bloßen Wachstumsmaximierung zu einer ausgewogenen Wachstumsoptimierung gelangen können oder mit anderen Worten zu besseren Lebensbedingungen.“ Quelle: https://www.mediatheque.lindau-nobel.org/videos/31479/environmental-protection-as-an-international-mission-german-presentation-1972/laureate-brandt

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst.

1972 stellte Dennis Meadows seine Studie „Die Grenzen des Wachstums“ in St. Gallen vor. Hierbei wurden das Bevölkerungswachstum und der Ressourcenhunger der Menschheit und die damit verbundenen Folgen untersucht. Das Gutachten zeigte in mehreren systemdynamischen Szenarien auf, wie katastrophal die Lage im Jahr 2050 sein könnte, wenn die Menschheit die Art zu leben und zu wirtschaften nicht vom Wachstumsgedanken auf den Qualitätsgedanken umlenken würde.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

1980 stellte Jimmy Carter den Bericht Global 2000 vor. Bis zum Jahr 2050 könnte eine entscheidende Veränderung in der Struktur der Niederschläge auf der ganzen Erde und ein Temperaturanstieg um 2-3 Grad in den mittleren Breiten der Erde eintreten. Ein Anstieg der Polartemperaturen um 5-10 Grad Celsius könnte am Ende zum Abschmelzen der grönländischen und antarktischen Eiskappen und damit zu einem schrittweisen Anstieg des Meeres führen. Zahlreiche Küstenstädte müssten aufgegeben werden.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Im Oktober 2018 veröffentlichte das IPCC alarmierende Warnungen. Der Ausstoß an Treibhausgasen beschleunigt sich aktuell und es droht eine eskalierende Reihe von Klimaereignissen, die das Leben auf der Erde bedrohen. Nur wenige sind sich der Realität bewusst, dass wir uns im 6. Massenaussterben befinden. Aktuell ist die Klimaerwärmung auf über 1 Grad Celsius über vorindustriellen Level gestiegen. Sollte die 1,5 Grad Grenze überschritten werden, würde es unkontrollierbare Rückkopplungseffekte zu einer Kaskade beispielloser Klimaereignisse und damit zu einer drastischen Schwächung unseres Ökosystems führen. An eine Rückkehr zu einem Leben, wie wir es heute kennen, wäre dann nicht mehr zu denken.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Juni 2019, als hätten sie nichts gewusst, der Deutsche Bundestag entscheidet sich mit 463 von 709 Mitgliedern dagegen, die Klimakrise anzuerkennen. Lediglich 138 stimmen mit JA. Nicht einmal ein halbes Jahr vorher nannte der UN Abgeordnete der Marshallinseln eine Erwärmung von 2°C bereits Völkermord, denn seine Nation versinkt. Schon 2009 hatten Minister der Malediven ein symbolisches Treffen unter Wasser abgehalten. Deutschland war einmal Vorreiter in der Klimapolitik, verfehlt aber inzwischen die eigenen Klimaziele 2020 mit lediglich 32% statt 40 % Reduktion. Und dabei werden Flugreisen nicht einmal berücksichtigt. Der Kohleausstieg ist momentan erst für 2038 geplant.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Heute ist Freitagnacht, der 13.12.2019, und viele Chancen zur Rettung unseres Planeten sind in den letzten Jahrzehnten leichtsinnig und fahrlässig verspielt wurden. 1986 war das letzte Jahr in dem die Menschheit seinem Raumschiff Erde nur so viel entnahm, wie es selbst in einem Jahr laut seiner Bio- und Ressourcenkapazität zu geben im Stande war. Der Mensch nutzt aktuell ca. 60 % der bioaktiv nutzbaren Erdoberfläche für seine Nahrung und die Biodiversität schrumpft Jahr für Jahr mehr. Nur die Wirbeltiere betrachtet nehmen die domestizierten „Nutztiere“ aktuell ca. 66 % und der Mensch selbst 33 % ein, so dass nur noch 1 % aller Wirbeltiere auf der Erde wild sind. Die aktuelle Klimakatastrophe hätte verhindert werden können und selbst heute können wir unter massiven Anstrengungen unseren Planeten für die nachfolgenden Generationen bewohnbar hinterlassen und unter dem so wichtigen 1,5 Grad Ziel bleiben. Hierfür muss aber sofort in allen in die Biosphäre eingreifenden Bereichen ein Mechanismus zum Schutz eingeführt werden, weltweit ist eine Nahrungs-, Mobilitäts- und Energiewende hin zur CO2 Neutralität bis 2040 von Nöten.

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. 

Üben wir jetzt Druck auf unsere Politiker aus, unterstützen wir neue Gruppierungen wie Fridays for Future JETZT!